Bernhardiner - Liebhaberzucht "vom Waaghäusel"

Was heißt züchten? "Das ist doch klar", werden einige sagen! " man lässt eine Hündin und einen Rüden zusammen, damit nach einer bestimmten Zeit Junge geboren werden, die man möglichst gewinnbringend verkauft!" Halt! Sie meinen "vermehren", züchten ist viel, viel mehr. Da jedes Lebewesen das Produkt aus vererbbaren Faktoren und Umwelteinflüssen ist, müssen diejenigen, die züchten wollen, sich sehr intensiv mit der Vererbungslehre befassen. Ich möchte jetzt keinesfalls meinen Kommentar zu der Streitfrage geben, ob alle Hunderassen vom Wolf, vom Goldschakal oder einem anderen hundeähnlichen Wesen abstammen. Interessant ist aber, dass sich die Vielzahl der verschiedenen Hunderassen von einer Stammform ableiten lässt. Durch ein beständiges, über viele Jahrhunderte währendes Aussuchen und Ausmerzen bestimmter Körper- und Verhaltensmerkmale sind diese Rassen entstanden. Wird beispielsweise der Foxterrier auf größtmögliche Aggression gezüchtet, so wird in der Bernhardinerzucht besonderer Wert auf den ruhigen, gutmütigen Charakter gelegt. Einige Rassezuchtverbände versuchen immer kleinere Hunde zu züchten, andere wollen immer höher hinaus. Extreme Zuchtrichtungen wie Zwergenformen, Riesenwuchs, Gnomengesichter, übertrieben lange Haare usw. sind das Ergebnis sorgfältigster Selektion ( Auswahl) über Generationen, wobei der Rassestandard oft durch den etwas bizarren Geschmack der Züchter und Liebhaber fixiert wird. Eine planmäßige Züchtung versucht, eine bestimmte Rasse nicht nur zu vermehren, sondern sie auch zu verbessern. Um etwas verbessern zu können, muss man einen möglichst genauen Überblick darüber erwerben, was als besonders gut beziehungsweise besonders schlecht für eine Rasse festgelegt ist. Wollen wir einmal davon ausgehen, dass man selbst über einen erstklassigen Hund verfügt, der alle Rassemerkmale in sich vereint und dazu noch kerngesund ist. Die gründliche Auswahl des passenden Zuchtpartners bedeutet somit die erste und gleichzeitig schwierigste Aufgabe des Züchters. Er muss bedenken, dass Rüde wie Hündin gleichermaßen ihre Erbanlagen weitergeben. Deshalb sollten die Erbanlagen beider Eltern von möglichst vollkommen gleicher und bester Ausstattung sein. Es kann den Züchter nicht der Verbesserung der Rasse - dem erklärten Zuchtziel - näherführen, wenn man eine schlechte Hündin mit dem besten Rüden paart. Es ist erwiesenermaßen falsch, wenn alle Hoffnungen auf die Vererbungskraft des Rüden gelegt werden. Diese "Zufallszüchter" werden auf Dauer keinen positiven Zuchtbeitrag leisten können, wenn sie der Erblehre nicht genügend Beachtung schenken. Der nächstbeste ist fast nie der ideale Partner. Fehler wie besondere Vorzüge körperlicher oder geistiger Art verstärken sich, je enger die Blutlinie ist. Je nach dem Grad der Verwandtschaft nennt man sie Inzucht ( Verwandtschaftszucht ) oder Inzestzucht ( engste Verwandtschaftszucht ). Beispiele für die Inzestzucht sind Vater gepaart mit Tochter, Mutter gepaart mit Sohn, aber auch Bruder gepaart mit Schwester. Diese Verpaarungen gehören ausschließlich in die Hand langjährig erfahrener Züchter und sind genehmigungspflichtig, das heißt, wenn ein Züchter eine solche Verpaarung plant muss er vorab beim Zuchtbuch um Genehmigung ersuchen. Es bedarf manchmal vieler Generationen, um negative Erbfaktoren wieder wegzuzüchten oder um besonders hervorragende Eigenschaften fest in der Zucht zu verankern. Nach jedem Wurf sollte weniger die Anzahl der Welpen, als vielmehr die Qualität entscheidend sein. Nur die besten sollten wieder in die Zucht gelangen. Einige Faktoren lassen sich nur dann als zum Erbbild ( Genotyp ) gehörend erkennen, wenn man diese Faktoren bei den Eltern, Großeltern und Urgroßeltern finden kann. Die Ahnentafeln sagen darüber nicht genügend aus. Züchter und Besitzer der Vorfahren müssen befragt werden. Es muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass der am meisten preisgekrönte Hund nicht unbedingt seine Vorzüge am besten vererbt. Oftmals sind Bruder und Schwester des Champions bessere Vererber als dieser. Was unterscheidet nun aber die Rassehundezucht von der Tierzucht schlechthin? · Nicht der Nutzwert des Hundes ist bedeutend, denn der Hund kann wirtschaftlich nicht genutzt werden. Fleisch und Fell sind nicht nutzbar, nicht abzusetzen, haben keinen Marktwert. · In der Rassehundezucht entscheiden ideelle Werte über den tatsächlichen Wert eines Hundes für den Menschen, wie sie in der übrigen Tierzucht teilweise überhaupt nicht bekannt sind. · Wesens und Charaktermerkmale bestimmen Wert und Leistung des Hundes für den Menschen. Mut, Ausdauer, Intelligenz, Sinne ( vor allem Geruch und Gehör) entscheiden über die Leistung des Gebrauchshundes, zudem rassische Merkmale, bestimmt von Haar, Farbe oder Größe, Rassische Fehler und Mängel ( nicht die Nutzbarkeit oder Verwertbarkeit des Tieres ) bestimmen seinen "züchterischen Wert". · Der Rassehundezüchter unterwirft sich Zuchtbestimmungen, die in der Tierzucht völlig unbekannt sind. Die Überprüfung seiner Zuchthunde erfolgt nach rassischen Bewertungsmerkmalen, teilweise nach zusätzlichen Leistungs- und Wesensprüfungen. Rassische oder körperliche Mängel, wie sie in der Nutztierzucht überhaupt nicht bekannt sind, schließen den Rassehund von der Zucht aus. Der Rassehundezüchter ist verpflichtet, Zuchtschauen und Ausstellungen zu besuchen, die "Zulassung zur Zucht" ist z.B. abhängig von Farbe, Größe und Gewicht, von der Vollständigkeit des Gebisses, von der Haltung oder Entwicklung der Rute, von körperlichen und rassischen Merkmalen, die in der Nutztierzucht teilweise überhaupt nicht bekannt sind. · Die Zuchtbestimmungen beschränken die Rassehundezucht, sie "fördern" sie nicht. Die Zulassung eines Hundes zur Zucht ist Abhängig vom Alter ( nicht von der natürlichen Zuchtfähigkeit ), eine Hündin darf z.B. nicht bei jeder Hitze belegt werden ( mindestens jede dritte Hitze ist auszulassen ); die Zuchtbestimmungen berücksichtigen tierschützerische Aufgaben, die in der Nutztierzucht wiederum nicht bekannt sind. Im Gegenteil, in der Nutztierzucht wird versucht, diese "züchterische Leistung" ( Produktion ) zu erhöhen. · Grundsätzlich unterscheidet sich der Verkauf ( Absatz ) von Rassehunden von Nutztieren, dazu gehören auch Tiere aus einer "Liebhaberzucht" ( z.B. Kaninchen ); sie sind jederzeit abzusetzen, zu nutzen und unterliegen einem Marktwert, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Diese grundsätzlichen Merkmale der Tierzucht treffen für die Rassehundezucht nicht zu. · Der Käufer eines Rassehundes will den Hundewelpen, also den Junghund im Alter von 8 - 16 Wochen, weil er der Meinung ist, dass dann Umstellung, Eingewöhnung, Anpassung am leichtesten möglich sind. Der Rassehund ist Begleiter, Beschützer, Spielgefährte des Menschen. Und darum braucht er diese Anpassung und Erziehung. Das Wesen des Hundes, seine charakterliche Entwicklung wird, wie bei Menschen, im Welpenalter bestimmt. Der Rassehund wird also in diesem Welpenalter verkauft. Ist er nicht "absetzbar", wird er älter, dann ist er schlecht oder gar nicht mehr "zu vermarkten". Hier ist ein krasser Gegensatz zur Nutztierzucht. Und er drückt sich darin aus, dass ein erwachsener Hund, von wenigen Ausnahmen und Notfällen abgesehen, praktisch unverkäuflich ist. Kein Hundefreund würde seinen Hund "für alles in der Welt" verkaufen, das sind nicht leere Sprüche, und kein Züchter wird seinen Zuchthund, der für ihn wertvoll ist abgeben. · Der alte zur Zucht nicht mehr fähige Hund, wird nicht ( wie Nutztiere ) "abgeschafft" oder "vermarktet", der Mensch fühlt sich seinem Hund verpflichtet, pflegt und umsorgt ihn bis zu seinem Tod. Freundschaft, nicht wirtschaftlicher Nutzen, bestimmen diese Hundehaltung. · Deshalb unterliegt der Rassehundezüchter Zuchtvorschriften, die in der Nutztierzucht nicht bekannt sind und möglich wären. Er geht Risiken ein, die es in der Nutztierzucht nicht gibt. · Kann der Züchter die Welpen nicht absetzen, muss er sie behalten. Er könnte "überzählige" Welpen töten, doch auch hier kennt das Tierschutzgesetz besondere Bestimmungen für den Hund. Dieses Töten "ohne vernünftigen Grund" ist verboten, dem Züchter nicht erlaubt. Es gab die widersinnige Zuchtvorschrift in einigen Vereinen, dass mehr als sechs Welpen in einem Wurf nicht aufgezogen werden dürfen. Viele Züchter lehnten dieses "Töten nach Vorschrift" ohnehin ab; das neue Tierschutzgesetz verbot diese "Zuchtvorschrift" nun endlich. · Doch welcher verantwortungsvolle Züchter würde seine Welpen töten lassen? Er gibt sie zu extrem niedrigem Preis oder gegen Schutzgebühr ab oder behält sie und übernimmt dabei Kosten und Risiken, die es in keiner anderen Tierzucht gibt. Zusammenfassend gesagt: Züchten heißt - ohne wenn und aber - die Verbesserung der Rasse als oberstes Ziel zu setzen, auch dann wenn bei einem Wurf von finanziellem Gewinn nicht immer die Rede sein kann oder aber, was durch Kaiserschnitt, Krankheit oder Unfälle im Wurf auch passieren kann sogar ein finanzieller Verlust hingenommen werden muss. Züchten heißt nicht durch Hunde reich werden - züchten ist eine Herausforderung, bei jedem Wurf aufs Neue.


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